Reingehört: Galya Bisengalieva – Aralkum

21. September 2020
3 Min. Lesezeit
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Der Aralsee schrumpft und dieses Schrumpfen gilt als eine der schlimmsten Umweltkatastrophen auf unserem Planeten. Die kasachisch-britische Komponistin und Geigerin Galya Bisengalieva hat sich auf ihrem Album Aralkum sehr mit diesem Thema beschäftigt, da sie durch ihre Wurzeln sehr eng mit dem See und der Region verbunden ist.

1997 hatte der See bereits zehn Prozent seiner ursprünglichen Größe eingebüßt und Satellitenaufnahmen der NASA offenbarten im August 2014 erstmals in der modernen Geschichte, dass das östliche Becken des Sees komplett ausgetrocknet war. Diese Region ist nun unter dem Namen „Aralkum Wüste“ bekannt.

— Pressemappe

Seit ihrem 5. Lebensjahr spielt Galya Bisengalieva klassische Geige, studierte später an der Royal Academy of Music und fand in der Geschichte dieser Katastrophe den geeigneten Stoff für ihr Solodebüt. Bisher spielte sie Geigensolis bei verschiedenen Film- und TV-Soundtracks und leitete 15 Jahre lang das Symphony Orchestra, sie war langjährige Solistin im Kazakh State Symphony Orchestra und wurde im Jahr 2018 mit dem höchsten Verdienstorden des Landes für Kultur ausgezeichnet. Sie arbeitete bereits mit Künstlern unterschiedlichster Genres zusammen und bereiste mit den einzelnen Orchestern Europa, Asien, Nord- und Südamerika.

„Meine Musik zieht es an dunkle Orte, aber die Geschichte dieses schrumpfenden Sees gab mir wirklich die Möglichkeit, einer Erzählung zu folgen, auf die Schönheit der Landschaft vor der Sowjetunion zu schauen. Auf die Hoffnung auf eine Zukunft, wenn das Wasser zurückkommt, genauso wie auf die öde Landschaft und die Trostlosigkeit während der Katastrophe.“

— Galya Bisengalieva

Das Ergebnis ist ein düsteres, ruhiges und irgendwie entspanntes Album, was aber auch etwas bedrohliches, angstschürendes hat. Dennoch eignet es sich, wie auch schon das vor kurzem hier erwähnte Album Aukai – Game Trails hervorragend für Entspannung und Meditation, es ist Musik zum abschalten, zum genießen.

„Ich arbeite viel mit der Basspfeife und mehrschichtigen Streichern, die Stimme des Arals konnte ich somit schnell für mich finden, weil mein Stil gut zur Schlichtheit der öden Wüstenlandschaft passt, ebenso wie zum Fließen des Wassers. Es war ein Privileg mit den Einheimischen sprechen zu können, Archivmaterial durchzusehen und Field Recordings aus dem Gebiet anzuhören. Geräusche wie der Wind, der durch die verrosteten Rümpfe verlassener Schiffe pfeift und die vor Ort lebende Tierwelt sind auf dem Album zu hören“.

— Galya Bisengalieva

Als erste Single des Albums erscheint „Barsa – Kelmes“, zu dessen dazugehörigem Video Damir Otegen Regie geführt hat. Mit dem Musikvideo möchte Sie den Horror der Aral-Katastrophe rüberbringen, da diese in den westlichen Ländern nicht oder nur sehr wenig dokumentiert wird.

„Der Track lässt einen mit einem Gefühl der Isolation zurück, deshalb wollte ich, dass die Geschichte aus den Augen eines Individuums gezeigt wird, die Figur ist mit Absicht Androgyn, denn damit widerspricht sie der typischerweise männlich-dominierten kasachischen Kultur. Mir war es wichtig, dass das Video von jemandem gemacht wird, der, wie ich, mit der Geschichte dieser Katastrophe aufgewachsen ist und das Gebiet besucht hat und somit die Austrocknung aus erster Hand erlebt. Ich war sehr glücklich, dass im Zuge der Zusammenarbeit mit One Little Independent Damir und sein talentiertes Team beauftragt werden konnten, die in meiner Heimatstadt Almaty ansässig sind.“

— Galya Bisengalieva

Mit einer immensen Intensität und einer fein-ästhetischen Bildsprache zeichnet das Video die Folgen der Umweltkatastrophe für Menschen und Tiere auf. Es geht um ein Wesen, das alles im Leben verloren hat und Versuch unternimmt, alles an seinen Platz zurückzubringen.

Der Regisseur Damir Otegen über das Video:

Diese Geschichte spielt in Kasachstan in einem einst wohlhabenden Hafen. Spät in der Nacht bricht jemand in die Garage einer städtischen Lagerhalle ein, stiehlt ein Auto, das mit Wasser vollgeladen ist und verlässt eilig die Stadt. Wir sehen das Auto mit hoher Geschwindigkeit in eine Wüste rasen, wo sich einst Wasser befand. Je weiter es in die Wüste gelangt, desto deutlicher bemerken wir die mysteriösen Kreaturen, die den Schiffsfriedhof bewohnen und von dem unerwarteten Gast Notiz nehmen. Dann geschieht etwas Geheimnisvolles. Wir wissen nicht, ob es Traum oder Realität ist. Aber eines ist klar: Wir sehen den Tod, den Tod des Sees und den Tod all derer, die damit verbunden sind.

Doch das beklemmend-hoffnungslose Gefühl verbunden mit dem Tod soll nicht am Ende dieser musikalischen Reise stehen bleiben. Klar, die Auseinandersetzung mit der Aral-Katastrophe ist kein leichter Stoff. Dennoch soll er auch Mut machen. Zu mehr Rundumsicht, wünscht sich Galya.

„Ich hoffe, dass die Leute beim Zuhören auf eine Reise von der Schönheit hin zur Trostlosigkeit und dann wieder zur Hoffnung mitgenommen werden. Und dass sie einen Moment finden, um darüber nachzudenken, dass es verheerende Folgen für die Natur und das Leben der Menschen haben kann, wenn wir nicht auf das Acht geben, was uns umgibt.“

— Galya Bisengalieva

Tracklist:

Aralkum
Moynaq
Kantubek
Barsa – Kelmes
Zhalanash
Kokaral

VÖ: 04.09.2020
Formate: Digital, CD, Vinyl

Markus

Vater, Fotograf, Blogger, Medienmensch, alles eher autodidaktisch, aber alles mit ganz viel Leidenschaft. Ist auch bei Twitter & Instagram unterwegs. Natürlich kann man mir auch bei Facebook folgen. Zusätzlich blogge ich auf markusroedder.de über Dinge, die hier keinen Platz finden.

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