Reingeschaut: Systemsprenger

3. Oktober 2020
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Systemsprenger

Man kennt ja diese „tollen“ RTL/Sat1 Produktionen wie „Teenager außer Kontrolle“, „Terror Teenies“ oder „Die strengsten Eltern der Welt“ und man kennt vielleicht auch welche von denen, die es sich bei diesen Serien mit Chips, Nüsschen und Bier vor dem TV gemütlich machen, um sich schön über die asoziale Jugend lustig zu machen. Scriptet Reality fürs TV-geile Volk, die solche Produktionen gerne mal als Realität ansehen.

Das es sowas aber wirklich gibt und dieses Leben für Eltern, Betreuer und vor allem den einzelnen Kids oft die Hölle ist, davor verschließen viele die Augen.

Systemsprenger sind Personen, die aufgrund ihrer besonderen Verhaltensauffälligkeiten nur schwer in Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe respektive der Behindertenhilfe integriert werden können

Wikipedia

Im Film Systemsprenger geht es genau um diese Thematik und um genau um so einen Hardcore-Härtefall, nämlich um die 9-jährige Benni (herausragend gespielt von Helena Zengel). Die Regisseurin und Drehbuchautorin Nora Fingscheidt zeigt mit eindrucksvollen Bildern, wie hart so ein Leben für alle Beteiligten sein kann.

Worum geht es in Systemsprenger?

Pflegefamilie, Wohngruppe, Sonderschule: Egal, wo Benni hinkommt, sie fliegt sofort wieder raus. Die wilde Neunjährige ist das, was man im Jugendamt einen „Systemsprenger“ nennt. Dabei will Benni nur eines: Liebe, Geborgenheit und wieder bei ihrer Mutter wohnen! Doch Bianca (Lisa Hagmeister) hat Angst vor ihrer unberechenbaren Tochter. Als es keinen Platz mehr für Benni (Albrecht Schuch) zu geben scheint und keine Lösung mehr in Sicht ist, versucht der Anti-Gewalttrainer Micha, sie aus der Spirale von Wut und Aggression zu befreien.

Man ist selbst als Zuschauer geschockt, ein wenig überfordert und versucht dennoch, sich in die Situation hineinzuversetzen, zu verstehen, wieso Benni jetzt gerade so reagiert, aber es fällt sehr schwer. Man merkt selber vor dem TV-Gerät, das einem bestimmte Szenen wirklich zu viel werden, vor allem, weil alles unfassbar gut gespielt wird.

Kameraeinstellung, Schnitt, hier funktioniert alles sehr, sehr gut. Wenn Benni ausrastet, überlagern sich die Bilder und eine nicht zu bändigende Energie wird deutlich. Die Kamera bleibt in vielen Szenen sehr nah an Benni dran, ohne genau zu zeigen, was Benni grade tut (u.a. bei Gewalt gegenüber anderen Kindern). Die Folgen sind oft nur zu erahnen und dennoch wird spürbar, wie dieser Kontrollverlust grade für Benni ist.

Ich mach mal einen Vorschlag. 1-1 Betreuung, drei Wochen im Wald.

Micha

Das solche Situationen selbst für pädagogisch geschulte Menschen äußerst schwer sein können, kann man sehen und man kann nachvollziehen, das Menschen, die Ihr nahe stehen, am Ende doch aufgeben wollen. Sie ist brutal, anstrengend und doch sehr liebenswürdig und am Ende ist dieses Verhalten ein einziger Schrei nach Liebe und Hilfe einer 9-jährigen.

Der Film Systemsprenger hat zurecht neben dem Silbernen Bären (Alfred-Bauer-Preis) mehr als 40 Preise bei nationalen und internationalen Filmfestivals gewonnen und hat seitdem über 600.000 Kinozuschauer:innen bewegt und vor allem berührt.

Ein großartiger, wenn auch sehr anstrengender Film. Eine klare Empfehlung von mir!

Trailer:

Hintergrund zum Film:

Das Drehbuch entstand nach langer Recherche über einen Zeitraum von 5 Jahren. In dieser Zeit lebte und arbeitete Nora Fingscheidt in Wohngruppen, einer Schule für Erziehungshilfe, in einer in Obhutnahmestelle und einer Kinderpsychatrie. Sie führte Gespräche mit Mitarbeitern, Ämtern und mit Kinder- und Jugendpsychologen. Nach eigenen Angaben drehte sie Systemsprenger und ein Verständnis für schwer traumatisierte Kinder wie Benni zu wecken. Sie entschied sich bewusst für ein 9-jähriges Mädchen ohne Migrationshintergrund und vor dem Einsetzen der Pubertät.

Bluray-Fakten:

Darsteller : Helena Zengel, Albrecht Schuch, Gabriela Maria Schmeide, Lisa Hagmeister, Melanie Straub, Tedros „Teddy“ Teclebrhan
Regisseur : Nora Fingscheidt
Alterseinstufung : Freigegeben ab 12 Jahren
Medienformat : Dolby, PAL
Seitenverhältnis : 16:9 – 1.85:1, 16:9 – 1.77:1
Laufzeit : 2 Stunden
Erscheinungstermin : 27. Februar 2020
Untertitel: : Englisch
Sprache, : Deutsch (Dolby Digital 5.1), Deutsch (Dolby Digital 2.0)
Studio : Euro Video DVD

Markus

Vater, Fotograf, Blogger, Medienmensch, alles eher autodidaktisch, aber alles mit ganz viel Leidenschaft. Ist auch bei Twitter & Instagram unterwegs. Natürlich kann man mir auch bei Facebook folgen. Zusätzlich blogge ich auf markusroedder.de über Dinge, die hier keinen Platz finden.

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